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Immunsystem verstehen und boosten – Urban Vibes mit Dr. Gudi de Vries

Von Lynn Kühner

Es ist Winter, die Fenster, Wohnungen, Häuser, Arbeitsplätze vielleicht auch Haustiere sind geschmückt, denn… Weihnachten steht vor der Tür. Da gibts ja immer zwei Lager: Sport? Nie gehört – gib mal n Stück vom Baumkuchen… Oder jene, die fokussiert und sportlich bleiben obwohl die Schoki-überzogene Versuchung an jeder Ecke lauert. 

Was insbesondere im Winter wichtig ist, dass wir auf unser Immunsystem Acht geben – nicht nur aufgrund der Pandemie, sondern generell – und in Sachen Sport am Ball bleiben. Vielleicht nicht ganz sooo streng, aber bleibt dran! Sport ist gesund, er hilft bei der Krebsvorsorge, hat positive Effekten für das Herz-Kreislauf-System, den Knochenstoffwechsel, die Verdauung, dir Psyche. Kurzum: Viel Bewegung hält das Immunsystem in Schwung und stärkt die Abwehrkräfte. Und wenn du schon mal in der Redzone wart, wisst ist, dass dieser Adrenalin und Endorphin Schub hohes Suchtpotenzial hat!

Warum wir dir das alles erzählen? Sicher nicht, um den mahnenden Zeigefinger zu heben, sondern um unsere heutige Gästin anzukündigen! Sie räumt auf mit den Mythen rund ums Immunsystem und sagt uns was wirklich hilft! Einige von euch kennen sie wahrscheinlich, denn sie ist erfolgreiche TikTokerin… vor allem aber ist Gudi praktizierende Ärztin! Please welcome: Dr. Gudi de Vries – moin!

Gudi, als Warm Up starten wir mit ein paar Schnellfragen: Laufen oder Pumpen?

Laufen! 

Deadlifts oder Burpees?

Burpees.

Frühsport oder Night Workout?

Früh! 

Schwitzen oder frieren?

Lieber Schwitzen! 

Hip Hop oder Schlager?

Hip Hop! 

Lieblingssnack?  

Irgendwas mit getrockneten Datteln oder Feigen.

Lieblings-Cheatmeal?

Sushi! Auch wenn es jar nicht mal sooo ein Cheat ist. 

Bestes Mittel zum Recovern?

Schlaf!  

Gehen wir erstmal back to basics: Kannst du mal ganz vereinfacht erklären, wie unser Immunsystem funktioniert?

Wir Mediziner haben ja immer Probleme, etwas einfach zu erklären, aber ich versuche es. Wir sind ja umgeben von Bakterien, sei es von unseren Mitmenschen oder von unserem Essen. Von außen auf unsere Haut treffen Bakterien, über Mund, Nase, den Darm. Das können wir uns als Firewall vorstellen, wir brauchen eine gute Abwehr, die sich aus verschiedenen Systemen zusammensetzt. Wenn diese Firewall nicht stark genug ist, die Bakterien also en Leck finden, bekommen wir die Erkältung oder werden krank. 

Beim Immunsystem unterscheiden wir zwischen verschiedenen. Das eine haben wir schon bei der Geburt, das ist eher unspezifisch, breitflächig, aber nicht gezielt. Wenn ein bestimmter Erreger kommt, lernt unser Immunsystem erst nach einer Zeit „Ah, da gibt es diesen Eindringling und den kann ich so oder so bekämpfen“. Das ist unser erworbenes Immunsystem. Dann gibt es noch ein sehr komplexes Komplementsystem, was mit dazu kommt. Wir haben also quasi drei Systeme, die ineinander greifen – vereinfacht gesagt. 

Was sind denn die größten Feinde unsere Immunsystems?

Schlafmangel ist ein Feind für unsere Gesundheit und unser Immunsystem. Ernährung, wenn sie nicht ausgewogen ist, kann als Feind bezeichnet werden. Die falschen Nahrungsmittel können uns wirklich schaden. Wenn man sich überlegt, was wir unserem Körper teilweise antun, denke ich, dass di e Menschen teilweise selbst ihr größter Feind sind. 

Eine Kippe nach der anderen für die „Entspannung“ oder literweise Kaffee… da lügt man ja sich ja schon mal selbst an. Und was hältst du persönlich von dem ganzen Thema Immunsystem boosten? Inwiefern ist das möglich, also wie viel davon liegt in unserer Hand?

Das Wort „Boostern“ ist ja gerade in aller Munde, wenn auch auf die Corona Impfung bezogen. Wir können uns ja in allen Bereichen boostern. Gerade während der Pandemie aber auch in der Erkältungszeit ist es natürlich wichtig, ein gutes Immunsystem zu haben. Ich persönlich bin als Ernährungsmedizinerin eine Verfechterin der natürlichen Supplements, als über die Ernährung die wichtigen Stoffe, die wir brauchen, aufzunehmen. 

Das ist noch eine recht junge Entdeckung, aber wir haben das Mikrobiom in unserem Darm – könnte fast als eigenes Organ zählen. Das ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Gesundheit, nicht nur fürs Immunsystem, sondern steht auch in Zusammenhang mit Diabetes und Depressionen. Man kann es sich als riesige Ansammlung von Bakterien im Darm vorstellen, die zusammen eine Symbiose ergeben, die uns schützt. Wir können das Mikrobiom durch Sport und vor allem durch unsere Ernährung schützen. Viele Ballaststoffe, Gemüse und ausgewogene Ernährung zu uns nehmen. Wenn wir nur Fleisch essen haben wir ein sehr unausgeglichenes Mikrobiom, wenn wir Antibiotika nehmen, werden Teile davon verringert oder ausgelöscht. 

Veganer haben manche Vitamine und Spurenelemente, die ihnen fehlen, weil sie sich teilweise doch nicht so ausgewogen ernähren. Das gleiche gilt für Personen mit Unverträglichkeiten. Diese Personen müssen entsprechend supplementieren, wenn sie die Stoffe nicht durch die Ernährung zu sich nehmen können. 

Gerade jetzt im Winter haben viele das Gefühl, on top etwas für ihr Immunsystem machen zu müssen. Ist das überhaupt eine saisonale Angelegenheit oder müssen wir dabei langfristig was machen? 

Einen gesunden Lebensstil sollte man schon haben, weil man das Immunsystem rund ums Jahr für alle möglichen Erkrankungen brauchen – nicht nur im Winter für die Erkältung. Bewegungsmangel und schlechte Ernährung können ja weitere Erkrankungen auslösen. Ich bin ein Fan davon, sich ganzjährig ausgewogen zu ernähren und sich zu bewegen, aber in den Wintermonaten sind wir natürlich durch die ganzen Erkältungen, die umherschwirren, vielen Viren und Bakterien ausgesetzt. Da kommt uns die Zitrusfrüchte-Saison zugute, die sind natürliche Vitaminbooster. 

Zink und Vitamin C Tabletten werden einem ja aktuell gerne verkauft, um sich entsprechend zu schützen. Wie wichtig ist es diese Stoffe als Tablette bei einer Erkältung nehmen? Bringt das wirklich was oder ist es eher Placebo?

Vitamin C, Zink, Kupfer, Selen, Eisen, Vitamin A, B… sind alles Stoffe, die wir generell für unser Immunsystem brauchen. Zink zum Beispiel ist in Meeresfrüchten, Milch, Fisch, Geflügel, Fleisch. Wenn man sich vegan ernährt, muss man schauen, dass man es aus anderen Quellen zu sich nimmt. 

Das Vitamin C wirkt zusammen mit Zink deutlich stärker auf unser Immunsystem. Zink ist antioxidativ, verringern also die Zellschädigung. Vitamin C ist auch ein Antixoidanz. Gerade während Corona ist die Diskussion hochgekommen, Vitamin C hochdosiert zu geben. Da hat man in Studien gute Erfolge festgestellt, denn es gibt einen so genannten Zytokinsturm, d.h. Entzündungszellen schwemmen den ganzen Körper, was durch hochdosiertes Vitamin C gestoppt werden kann. Aber man kann eben auch zu viel davon nehmen. 

Unser Körper ist einfach ein Wunder. Wenn wir ihm das richtige Werkzeug geben, hat er ordentliche Selbstheilungskäfte. Wir machen jetzt einen Deepdive in ein paar Dinge, die sich auf unser Immunsystem auswirken können. Fangen wir an mit Sport: Wie kann sich Sport und vor allem High Intensity Intervall Training auf unser Immunsystem auswirken? 

Es gibt sehr viele Aussagen dazu, warum HIIT gut ist und was dabei alles Positives im Körper passiert. Ich denke, aus der medizinischen Perspektive oder der physiologischen Ebene ist besonders wichtig, dass durch das HIIT Training so genannte Hitzeproteine entstehen. Diese sind ein Schutz für unsere Zellen und unser Immunsystem, sie pushen es zusätzlich. Generell ist Sport für das Immunsystem ein sehr wichtiger Faktor.

Welche Prozesse werden denn in unserem Körper dabei in Gange gesetzt?  

Beim HIIT Training trainiert man ja bis zur Belastungsgrenze oder darüber hinaus. Dann geht der Puls wieder kurz runter und dann wieder hoch. Dadurch trainieren wir im anaeroben Bereich und bringen den Körper in eine Sauerstoffschuld – so entsteht der Nachbrenneffekt. Wenn ich fertig bin mit dem Training passieren im Körper noch bis zu 48 Stunden danach ganz viele Prozesse, der Körper lädt seine Speicher wieder auf und verbraucht dabei Kalorien. 

Was würdest du sagen, wie sich mehr Muskeln auf unser Immunsystem auswirken? Bedeutet es, wenn ich mehr Muskeln und dadurch mehr Power habe, dass ich auch einen besseren Schutz habe? 

Also die Mukkies wirken sich ja zum Glück nicht nur auf unser Selbstbewusstsein aus! Wissenschaftlich ist es noch nicht richtig klar bewiese, was die Muskelmasse mit dem Immunsystem macht. Man hat aber zum Beispiel bei Mäusen festgestellt, dass das Immunsystem schlechter wird, wenn sie weniger Muskeln haben. Und umgekehrt, wenn sie mehr Muskelmasse haben, dass die T-Zellen besser arbeiten und länger leben. Wir sind keine Mäuse, also kann man das nicht 1:1 auf uns Menschen übertragen – aber man kann sehen, in welche Richtung es geht. 

Irgendwie macht es ja auch Sinn: Eine fittere Person kann besser mit Krankheiten umgehen. Was sagst du, wie oft sollte ich trainieren, um mein Immunsystem zu stärken? Denn wenn man zu viel trainiert kann es ja wahrscheinlich auch in die andere Richtung rumschlagen oder?

Absolut. Man kann sich mit Sport auch sehr viel Schaden zufügen. Es gibt ja von der WHO die Empfehlung für 150 Minuten moderateren Sport pro Woche. Das ist definitiv schon mal eine Richtschnur, an die man sich halten kann. Aber wer auf seinen Körper hört, merkt, wann der Körper eine Ruhephase braucht. Regeneration ist ganz wichtig, man sollte nicht jeden Tag bis zur Erschöpfungsgrenze trainieren. Das sieht man auch bei Leistungssportlern, die vor dem Wettkampf oder Marathon stehen und an ihre maximalen Grenzen kommen. Danach werden sie häufig krank, bekommen Erkältungen und man sieht, dass der Körper über seine Grenzen hinaus ausgeschöpft wurde. 

Jemand, der anfängt Sport zu machen, merkt schnell durch Muskelkater, wo die Belastungsgrenze ist. Wer viel Sport macht, kann dem Körper auch viel zutrauen – trotzdem dem Körper Ruhe gönnen. In die Sauna gehen ist auch super. Sonst wird permanent Cortisol ausgeschüttet, das schadet dem Immunsystem dauerhaft. 

An dieser Stelle einmal für alle Spezis, die gerne mit Erkältung zum Sport gehen und sagen, dass sie diese „ausschwitzen“. Liebe Gudi, warum ist es NICHT gut, mit einer Erkältung zum Sport zu gehen?

Da kann ich direkt sagen, ich sehe als (bald) Fachärztin für Innere Medizin Patienten mit einer Herzmuskelentzündung – man kann es im Nachhinein nur annehmen, dass sie krank Sport gemacht haben. Alles, was unterhalb des Kehlkopfes ist, da sollte man keinen Sport machen. Wenn es nur ein bisschen Schnupfen ist, kann moderater Sport funktionieren. Wer Fieber hat, sollte sogar eine Woche danach noch pausieren, damit er Körper sich richtig erholen kann. Ansonsten kann es auf den Herzmuskel schlagen, wenn die Herzmuskelentzündung durch Sport entsteht, kann sie eine ausgeprägte Herzschwäche verursachen.

Was genau bewirkt gesunde, frische Ernährung hinsichtlich unseres Immunsystems – langfristig und kurzfristig, wenn es einen schon erwischt hat? 

Also ich bin für eine vollwertige und ausgewogene Ernährung. Lieber Vollkornbrot als das Weißbrot vom Bäcker mit viel Zucker drin. Zwei Handvoll Obst, drei Handvoll Gemüse am Tag, am besten aus Bioanbau. Es gibt ja auch viele tolle Superfoods, ich bin beispielsweise ein großer Fan von Kurkuma. Golden Milk ist im Winter super! Chiasamen und Flohsamenschalen sind auch super. 

Wie sieht es mit Wasser trinken aus? Klar kann man zu wenig trinken, aber get auch zu viel?  

Mindestens 1,5 Liter sollten es sein. Unser Urin ist ein guter Indikator, auch wenn einige das eklig finden. Der Urin sollte hellgelb und klar aussehen, wenn er dunkel wird, hat man zu wenig getrunken – außer man hat z.B. eine Nierenerkrankung, die das verursacht. 

Wenn man viel Schwitzt, sollte man Elektrolytdrinks zu sich nehmen und nicht nur Wasser. Es gibt tatsächlich Menschen, die am Elektrolytmangel schon gestorben sind. Wer viel ausschwitzt beim Sport, sollte zwischendurch auch schon reichlich trinken.

…das gilt auch für Partyprinzen und Prinzessinnen: Beim dancen zwischendurch Wasser trinken! Welche Auswirkungen haben Kälte und Hitze auf unseren Körper ? 

Bei der Kälte muss man tatsächlich differenzieren. Wenn ich jetzt immer kalte Füße habe oder mir kalt ist, dann ist es nicht unbedingt gesund. Bei Kälte werden die Hände, Füße und Schleimhäute schlechter durchblutet, dadurch können Erreger besser eindringen.  Je besser etwas durchblutet ist, desto besser zirkuliert auch das Immunsystem in diesem Umfeld. Deshalb sagt man oft, dass kalte Füße ungesund sind. 

Wenn man Kälte aber gezielt einsetzt, ist das anders. Beispielsweise bei Verletzungen wenden wir gezielt lokal Kälte an, um z.B. die Muskeleinblutung zu stoppen. Im Sport wird mehr und mehr untersucht, wie die Auswirkung von Kälte auf die Regeneration ist. Es wurde untersucht, wie sich ein Kältebad oder die Kältekammer auf die Schnelligkeit, auf die Muskelkraft aus Und da hat man schon festgestellt, dass die Leute häufig weniger Muskelschmerzen haben, die Schnelligkeit teilweise verbessert wird, das Wohlbefinden gesteigert wird. Einige gehen lieber in die heiße Sauna und profitieren von der Hitze, andere eher von Kälte.

Und was ist an der eiskalten Dusche dran – kann die echt dazu führen, dass wir weniger krank werden? 

Heiß duschen, dann kalt – also eine Wechseldusche – da ist sicherlich was dran Am besten wird diese mit der kalten Dusche beendet. Wichtig: Du darfst danach nicht frieren. Es fördert die Durchblutung und ich habe sogar schon eine Studie gelesen, die sagt, dass dadurch das Selbstbewusstsein gesteigert wird und die Wechseldusche sogar beim Abnehmen helfen kann. Definitiv werden aber Kreislauf und Durchblutung angeregt, das hilft dem Immunsystem. 

Einen haben wir noch. Wie wirkt sich Schlaf auf unser Immunsystem aus?

Schlaf ist unglaublich wichtig für unseren Körper, weil da viel Regeneration stattfindet. Zum Beispiel hat man vor Kurzem entdeckt, dass das Glymphatische System, was quasi das Neurowasser, das unser Hirn umgibt und im Rückenmark aktiv ist, fehlerhafte Proteine, also Abfallprodukte, abtransportiert wird. Wenn wir wenig schlafen können sich diese Proteine dort anreichern, was zu einem höheren Risiko für Alzheimer führen kann. Außerdem verarbeiten wir viel von dem, was wir tagsüber erlebt haben, im Schlaf und vertiefen Lernprozesse. 

Noch ein Punkt: Der Hormonspiegel wird total durcheinandergeworfen. Wenn ich zum Beispiel eine 24-Stunden-Schicht mache und nicht schlafe, habe ich einen überwiegenden Spiegel von Ghrelin, was für meinen Hunger zuständig ist. Das heißt: Ich habe Hunger, aber das Lektin, das für mein Sättigungsgefühl zuständig ist, ist sehr niedrig. Ich kann also essen und essen, habe aber kein richtiges Sättigungsgefühl. All das ist Stress, also wird unser Immunsystem durch wenig Schlaf anfälliger. 

Ein gesunder und ausreichender Schlaf ist also extrem wichtig. Dazu kannst du auch nochmal unsere Urban Vibes Folge zum Schlaf anhören.

Zu guter Letzt: Was macht Stress mit unserem Immunsystem? Warum ist er so schädlich? Viele kennen es sicherlich: Erster Urlaubstag, erstmal krank werden… 

Das kennen sicher viele, die das hier lesen. Vor dem Urlaub haben wir oft ein super hohes Stresslevel, weil wir noch viel abarbeiten müssen. Wir haben also länger einen erhöhten Cortisonspiegel. Cortison ist immunsuppresiv. 

Es gibt guten Stress – der ist kurzanhaltend und pusht uns, bringt uns auf Hochtouren. Und es gibt schlechten, chronischen Stress. Dieser bringt die negativen Seiten hervor, dann wird der Körper vom dauerhaft hohen Cortisonspiegel ziemlich ausgelaugt. Beim Cortison Abfall können die Viren unseren Körper lahmlegen.

Daher, Hero: Don’t stress yourself too much!